Wissenschaft und Astrologie

Das psychologische Paradoxon 
 

Ein beliebter Einwand gegen die Astrologie ist der von mir so genannte "Deppen-Test": Einer Reihe von Versuchspersonen wird ein Text mit einer 'astrologischen Charakteranalyse ihrer Persönlichkeit' vorgelegt. Es soll nun beurteilt werden, ob der Text zutrifft. Die Zustimmungsrate liegt meist zwischen 70% und 90%, und der Haken an der Sache ist: alle Personen haben den gleichen Text erhalten.
Dieser Test wurde beispielsweise 1978 von HOIMAR VON DITFURTH (DER SPIEGEL 49/811 ) durchgeführt, in den USA (vgl.: Eintrag vom 24. September 1998 von KARSTEN JESKE in http://astrologix.de/guestbk/index.htm), oder kürzlich vom WDR im Rahmen der Sendung Quarks & Co (vgl.: http://wdr.de/tv/Quarks_Co/astro). Im letzten Fall liegt eine Dokumentation vor, neben einer ausführlichen Statistik wird auch eine Beschreibung des Versuchsablaufes gegeben. Zudem liegt auch der Analysetext vor, bei dem es sich um die Auswertung eines Computerprogramms des Horoskopes des Massenmörders HAMAN handelt.

Aus dem Testergebnis wird nun der Schluß gezogen, daß die Astrologie nicht stimmen könne und daß es sich dabei vielmehr um Volksverdummung handele.

Es ist aber die Aufgabe eines Wissenschaftlers - auch in einer Wissenschaftssendung - zunächst alle erdenklichen Schlüße in Betracht zu ziehen und gegeneinander abzuwägen. Da dies beim WDR versäumt wurde, hole ich es nun nach.

Eine wichtige Frage ist doch zuerst einmal, ob ein Computerprogramm in der Lage ist, einen astrologischen Deutungstext zu erstellen. Sodann: sind die am Test beteiligten Personen in der Lage, sich objektiv zu beurteilen? Beweist der Test nicht vielmehr, daß eine derartige Versuchsanordnung für eine Überprüfung astrologischer (oder auch psychologischer) Analyselysemethoden ungeeignet ist?

Zu der ersten Frage läßt sich bemerken, daß das Computerprogramm offensichtlich überfordert war, aus dem Text geht an keiner Stelle hervor, daß es sich um einen (potentiellen) Massenmörder handelt. Ungeachtet der Frage nach der Richtigkeit astrologischer Annahmen sagt der Test zunächst einmal nichts über die Astrologie aus, allenfalls etwas über die Astrologiegläubigkeit und -ungläubigkeit der teilnehmenden Personen. An dieser Stelle spielt es aber keine Rolle, ob der Text von einem Computerprogramm, von einem Astrologen, einem Psychologen oder einem Journalisten verfaßt wurde, da ja ähnliche Tests gleiche Resultate zeitigten, obwohl der Text nicht von einem Computerprogramm erstellt wurde.

Im Rahmen meiner Überlegungen zu diesem Fragenkomplex (wie müßte ein Test aufgebaut sein, der eine Überprüfung astrologischer Aussagen ermöglicht, welche Schlüße läßt der hier behandelte Test zu, welche Rolle spielt die subjektive Selbsteinschätzung der beteiligten Personen oder deren Astrologiegläubigkeit etc.) entdeckte ich ein Paradoxon, welches Gedanken an die Undurchführbarkeit derartiger Tests nahelegt, da weitere, ähnliche Paradoxien nicht auszuschließen sind.

Nehmen wir an, die astrologische oder psychologische Analyse einer Person ergibt nur einen einzigen Satz (hier etwas leger formuliert - der besseren Lesbarkeit halber):

  "Die Person ist in der Lage, Charakteranalysen kritisch und objektiv zu beurteilen."

Die Aufgabe des Astrologen oder Psychologen beschränke sich hier ausschließlich auf die Analyse des Urteilsvermögens der Person hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Beurteilung von sie selbst betreffenden Charakteranalysen. Der Astrologe hat jetzt eine eindeutige und objektiv prüfbare Aussage gemacht.

Es gibt die beiden Möglichkeiten, daß der Astrologe Recht hat und daß er sich geirrt hat.

Wenn er Recht hat und die beurteilte Person stimmt ihm zu, ist alles in Ordnung. Schließt man den Fall der absichtlichen Falschaussage der beurteilten Person aus, so ist eine verneinende Antwort der Person unmöglich.

Setzen wir jedoch den Fall, der Psychologe habe sich geirrt, die Person ist also objektiv nicht in der Lage, Charakteranalysen kritisch und objektiv zu beurteilen, treten unüberbrückbare Schwierigkeiten auf, nämlich dann, wenn die Person dem Satz nicht zustimmt. Dies kann aus zwei Gründen geschehen: Sie versteht den Satz nicht (der Psychologe hat sich ja geirrt), oder sie weiß so gut über sich Bescheid, daß sie erkannt hat, sich objektiv nicht beurteilen zu können (dies wäre ein weiteres Paradoxon). Wie dem auch sei, die ablehnende Antwort macht den falschen Satz wahr. Das bedeutet aber, der Psychologe hat sich nicht geirrt und das läuft den Vorraussetzungen zuwider.

Zuletzt sei noch die Möglichkeit erwähnt, der Psychologe habe sich geirrt und die Person stimmt dem Satz zu. Dann ist natürlich alles in Ordnung.

Das Paradoxon bleibt natürlich auch bestehen, wenn man das Vorzeichen herumdreht:

  "Die Person ist nicht in der Lage, Charakteranalysen kritisch und objektiv zu beurteilen."

wie leicht zu erkennen ist. Der Vorteil ist, es taucht nicht wie oben ein weiteres Paradoxon auf.

Nun kann man das Problem nicht wie die Lügnerantinomie mit Hinweis auf sprachlichen Unsinn oder dem Verbot des logischen Selbstbezuges lösen. Das vorliegende Problem hat einen konkreten praktischen Bezug, während andere Paradoxien ein Problem sprachlicher oder logischer Strukturen sind.

Was soll man nun tun? Soll man grundsätzlich auf eine Überprüfung von Charakteranalysen verzichten und sich auf den Standpunkt stellen, ein Test ergebe nur, was eine Person von sich glaube, nicht aber, was sie sei? Schließlich lassen sich ähnliche Paradoxien nicht ausschließen, die Gefahr sie zu übersehen ist groß und damit auch die Gefahr, zu notwendigerweise falschen Ergebnissen zu kommen.
Es ist ja nicht unsinnig, eine Persönlichkeitsbeurteilung vorzunehmen, weder eine "objektive", die subjektiv falsch sein kann, noch eine subjektive, die objektiv wahr sein kann. Unsinnig scheint lediglich zu sein, aus einem Vergleich der beiden Analysearten einen Schluß zu ziehen.

Um herauszufinden, ob "objektive" Analysen auch objektiv wahr sind, scheint es lediglich die Möglichkeit zu geben, sie auf verschiedene Weisen mehrmals durchzuführen und die Ergebnisse zu vergleichen. Tests, wie den Eingangs beschriebenen, sollte man wohl in Zukunft besser meiden.
 


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© Nils Chr. Hesberg 1998

E-Mail: nchesberg@t-online.de

Stand: 28. November 1998



Fußnoten zu: Das psychologische Paradoxon:

1) zit. in REINHARD WIECHOCZEK; Uranus lächelt über Hiroshima - die horoskopierte Gesellschaft; Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München, 1992, S. 112. ->